Sagt mal, kann es sein, dass die derzeitigen Diskurse u.a. deshalb so angespannt und tragisch destruktiv sind, weil es keine kulturellen-kommunikativen Möglichkeiten gibt, die folgende Erfahrungstatsache im Diskurs sichtbar und damit bearbeitbar zu machen: dass es Schmerzen verursacht, wenn ein anderer Mensch Dinge in Frage stellt, die einem selbstverständlich erscheinen (im erweiterten Sinne also das Weltbild, das Set an Normen und Einstellungen, Glaubenssätzen, etc.)? Stattdessen sind diese Schmerzen kommunikativ tabuisiert, sie verbleiben beim Subjekt, wirken aber natürlich dennoch in die Diskurse hinein. Der Schmerz wird nicht thematisiert, stattdessen wird das eigene Selbstverständliche – egal wie widersprüchlich – bis zum Letzten verteidigt. Vielleicht erscheinen deshalb manche Kommentare gerade zu den kontroversen Themen inhaltlich so absurd – fast grotesk – verzerrt. Hinzu kommt, dass es anscheinend keinen konstruktiven Umgang mit Emotionen in Diskursen gibt, stattdessen stolpert man über einige mehr oder weniger explizite Normierungsversuche, z.B. in Diskursen hat man rational zu sein, d.h. das Emotionale ist zunächst suspekt; dementsprechend disqualifiziert man sich in Diskursen, wenn es nicht gelingt, die Emotion in etwas Konstruktives zu transformieren; es gibt die Einstellung: die Infragestellung des Weltbildes ist – rational betrachtet – etwas Gutes, weil sie neue Perspektiven schafft und jeder, der diesem Gebot nicht folgen kann, gilt implizit als nicht diskursfähig. Kennt ihr eine gesellschaftliche Diskurspraxis, in der Emotionen einen berechtigten Platz haben?
Ein Gedanke über Emotionen und Diskurs
