Akzeptanz – weitere Perspektiven

Inhalt: Antworten von Leser*innen des Newsletters „Denken, Sprechen, Fühlen“ zum Thema Akzeptanz.

Ich freue mich über die ersten Reaktionen (überhaupt und dann noch) auf das Thema „Akzeptanz – Anwendungen und Möglichkeiten“ meines letzten Newsletters und da ich mir diesen als kommunikatives Format vorstelle – von dem ich erst jetzt verstehe, was damit gemeint sein könnte – möchte ich hier nachfolgend die interessanten Antworten der Leser*innen veröffentlichen und hoffe, dass diese auch euch zu weiteren Gedanken anregen. Viel Spaß dabei.

Person Nr. 1 schrieb:

Ich hab in letzter Zeit einige Dinge, einige Verhaltensweisen oder diverse Personen in meinem Umfeld und einige übliche Abläufe „akzeptiert“. Meine Motivation mich mehr darin zu üben ist, weniger Stress für mich, mehr innere Ruhe und weniger Kraftverlust.

Ich denke Akzeptanz ist, sich nicht an jemand/etwas „aufzutreiben“. Vielleicht auch Resignation, wenn auch nur um Atem zu holen. Vielleicht eine Pause. Ich akzeptiere die gegenwertige Situation um mich neu zu sortieren. Meine Position neu zu bestimmen. 

Überraschend finde ich, dass ich mich in Situationen überlegen fühle gerade weil ich mich durch die Akzeptanz nicht manipulieren lasse bzw. nicht in gewohnter Weise.

Person Nr. 1 – Antwort auf das Thema „Akzeptanz“

Person Nr. 2 schrieb:

Ich kann bei ACT und Co. nicht mitreden, aber die Frage war ja, was Akzeptanz eigentlich ausmacht und wie sie funktionieren kann. Und ohne zu sehr in philosophische Betrachtungen abzudriften, ist es m.E. doch die wesentlichste Aufgabe des Menschen diesbezüglich, einen Umgang mit der eigenen Endlichkeit zu finden, sprich: mit dem Tod. Wie kann man den akzeptieren? Oder kann man das gar nicht? Ich versuche es natürlich (trotzdem). Und bei der Erlernung dieser schwierigsten aller Akzeptanzen finde ich eine Art inneren Diskurs hilfreich, den ich in Alltagsbeispielen aufrufe. Da gibt es z.B. eine Parteienreklame für eine medizinische Fortschrittspartei, die beifallheischend fragt, was man denn so machen will – in 800 Jahren(!). Da ich gerade beruflich ziemlich im Stress bin (und daher hier nur kurz antworte), finde ich es doch durchaus tröstlich, dass ich nicht in den nächsten 800 Jahren Personalarbeit für machen muss. Das hilft mir Endlichkeiten zu akzeptieren, löst das Problem sicher aber auch nicht so ganz, denn:

Dass das Leben Leid sei, ja, das haben die asiatischen Weisen vor Jahrhunderten schon gesagt, und Schopenhauer hat das dann sozusagen eingedeutscht. Ich fühle mich aber ziemlich wenig leidend, sondern sehr privilegiert: 54 Jahre Frieden, Wohlstand und Freiheit, eine schöne Lebensentwicklung mit nur sehr wenig Leid. Heißt: Wenn Leben Leid ist, fällt die Akzeptanz des Todes mutmaßlich leichter. Er beendet das Leid. Und Punkt. Spiel, Satz und Sieg für die Akzeptanz. Wenn das Leben hingegen schön ist, wird die Akzeptanz seines Endes doch merklich schwieriger.

Doch der Tod kommt ja auf Raten und in einem Prozess des Vergehens (nach dem Werden/Wachsen zwischen 0 und ca. 40 Lebensjahren, wenn man das grob so einteilt). Und so wird evtl. auch ein Schuh draus: Hinnahme des Unvermeidlichen und der Versuch, es zu verlangsamen (z.B. mit Rentner-Sport, der einen früher entsetzt hätte). Tägliche homöopathische Dosen des Abbaus kann man dann verkraften und sich an der Restenergie freuen. Freude statt Leid, Glas halb voll, statt halb leer – solche Bilder helfen m.E. schon bei der Akzeptanz. Und sonst stirbt man eben ohne Akzeptanz. Letztlich ist sie rein subjektiv, eine objektive Akzeptanz dürfte es nicht geben. So jedenfalls meine ich, völlig subjektiv, ohne Anspruch auf Richtigkeit aber vielleicht gibt es denn doch für diese Ansicht eines: Akzeptanz.

Person Nr. 2 – Antwort auf das Thema „Akzeptanz“

Und schließlich schrieb Person Nr. 3:

Der Autor, ein gewisser APU (Außergewöhnlich Professioneller Urheber), geht der Frage nach, wie er sich Akzeptanz auf praktischer Ebene vorstellen müsste, um darauf aufbauend eventuell zu einem als „konstruktiver“ bezeichneten Umgang mit sich und anderen zu gelangen. Ufff… Also Lösung hab ich dafür keine, aber eines steht für mich fest: Was für ein bewundernswertes Problem, sich mit seiner Wahrnehmung und nicht dem Wahrgenommen bzw. am Ende natürlich mit beidem, insofern man akzeptiert, dass Subjekt und Objekt nicht getrennt voneinander existieren.

Was dieses konstruktivere Element sein könnte, darauf gibt der Autor keine Antwort. Er resümiert lediglich, dass „vielleicht (…) ein konstruktiverer Umgang möglich [ist].“ Liest man den Text richtig, was möglich ist, dann ergibt sich daraus jedoch eine Antwort: Akzeptanz selbst bedeutet aktives Nicht-Konstruieren. „Aktiv“ setzt ein absichtliches, ein willentliches (Schopenhauer die Sau mit seinem metaphysischen Willensprinzip, ey) So-Sein lassen des wahrgenommenen Wahrgenommenen voraus, um akzeptierend genannt werden zu können. Definiert man Akzeptanz demnach als absichtliches So-Sein-Lassen einer Perzeption ohne dekonstruierende oder konstruierende Reaktion (auf deutsch: nichts analysierend wegnehmen bzw. hinzufügen, dann kann dadurch ein Raum geschaffen werden zwischen Reiz und Reaktion. In diesem Raum liegt nach Viktor Frankl „unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.“ Akzeptanz, verstanden als aktiver Akt zur Freiheit, als ein Weg weg von der Reaktivität hin zu bewusster Aktion im intra- und interpersonellen Geschehen, als Innehalten vor dem „aus der Haut fahren“: Hierin liegt das transformative Potential der achtsamen Wahrnehmung und der Akzeptanz als eines zentralen Teils von dieser.

Akzeptanz ist ebenso ein Loslassen, kein „Sich ergeben“ in fatalistischer Art vor dem Reiz, dem Sein, dem Schicksal. Loslassen erfordert das Loszulassende so zu nehmen, wie es ist, ohne Ich-Bezug dazu aufzubauen. Loslassen im Sinne von „Ziehen lassen“ ist kein „wegdrücken“ oder „wegschieben“: Es ist ein ich-loses Sein lassen, ein Disidentifizieren mit jeglichem Wahrgenommenen. Loslassen ist nichts anderes als selbstlose Akzeptanz von allen möglichen Wahrnehmungen. Buddhistisch gesprochen ist Akzeptanz in diesem Sinne ein Enden der Anhaftung an das Wahrgenommene und somit das Beenden der zentralen Ursache des Leidens (siehe „Drei Geistesgifte“).

Die zwei Ebenen des Leidens, welche vom Autor angesprochen werden, wirken bei genauer Betrachtung zuerst sehr „stimmig“. Geht man jedoch tiefer an die „Wurzel“ des Leidens, den Akt der Wahrnehmung des Wahrnehmenden, dann kommt man möglicherweise zu einer anderen Einschätzung. So ließe sich das Leiden 1. Ordnung als ein Leiden erkennen, welches gerade nicht „natürlich“ im Akt der Wahrnehmung liegt, sondern buddhistisch betrachtet in den Phänomenen selbst (eines der 3 Realitätsprinzipien „Alles ist ungenügend/leidvoll.“ (dhukkha)).

Was bedeutet dies auf praktischer Ebene? Ein Beispiel: Mir tut mal wieder mein Ohr weh. Habe zu oft und zu laut hintereinander den Song „40 Jahre die Flippers“ gehört. Wenn du den nicht kennst, dann könnte es vielleicht hilfreich sein, dir den auch so 20-30 Mal in ordentlicher Lautstärke anzuhören, damit du dem hier gegebenen Beispiel besser folgen kannst. Zurück zu meinem Ohr. Habe Ohrenschmerzen. Schmerzen sind super unangenehm auf der Gefühlsebene. Leide ich jetzt also automatisch an dem Schmerz? Ist Leiden als Reaktion auf den Schmerz unvermeidlich? Ein Naturgesetz a la a²+b²=c²? Genau dies ist nicht der Fall. Leiden ist optional. Ob ich den Schmerz meines Ohres achtsam beobachten und damit So-Sein lassen kann (also Akzeptanz zeige), liegt nicht am Schmerz, sondern an meiner Reaktion auf den Schmerz. Insofern ist Schmerz nicht Leiden. Leiden ist Leiden. Leiden 2. Ordnung wäre demnach Leiden am Leiden 1. Ordnung, welches durch eine Reaktion auf Schmerz entsteht, welcher per se nicht leidvoll ist. Mit Schmerz ist hier jeglicher aversiver Reiz gemeint (also auch emotionaler Schmerz etc.).

Ist das mühsame Arbeit mit der Akzeptanz? Im Prinzip ist Akzeptanz sehr einfach, aber sie ist nicht leicht. Akzeptanz ist prinzipiell eine Möglichkeit des Menschen auf Wahrnehmungen zu reagieren (der jüngste Teil unseres Gehirns machts wohl möglich). Wie bei allen Dingen scheint da trait und state eine Rolle zu spielen und bevor man keine überzeugende Evidenz hat, was denn nun bedeutsamer ist und selbst wenn man diese Evidenz hätte: Übung macht den Meister bzw. die Meisterin.

„Lohnt sich des wirklich in die Akzeptanz zu inveschtiere?“, fragt sich der Schwabe oder die Schwäbin in mir.

Was ermöglicht Akzeptanz neben der Freiheit von der Reaktivität noch? Es ermöglicht moralische Entscheidungen durch Ruhe (shamatha) und Einsicht (vipassana). Wenn der Raum zwischen Reiz und Reaktion „bespielbar“ wird, kann das Paradoxon des Nicht-Verändern-Wollens eine moralisch erwünschte Veränderung erst ermöglichen: „Veränderung ist der Bruder der Akzeptanz, aber der jüngere Bruder“ (Christensen & Jacobson 2000, S.11).

„Muss ich also mal’s Geldsäckle uffmache und mich an Akzeptanz schaffe“,  denkt sich der minderheitendiskriminierende Verfasser dieses Kommentars.

Person Nr. 3 – Antwort auf das Thema „Akzeptanz“

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