Eine [abgeschlossene] Buchempfehlung

Der beruhigende Klang von explodierendem Kerosin

Derzeit lese ich (vergnüglich in der S-Bahn) das schon ältere Buch von Heinz Helle (2014) mit dem sehr netten Titel „Der beruhigende Klang von explodierendem Kerosin“. Ich bin zwar erst auf Seite 39, aber ich möchte dennoch schon eine vorzeitige (super vorsichtige) Buchempfehlung aussprechen, denn spätestens ab jetzt hat das Buch bei mir ein tieferes Interesse hervorgerufen.

Warum is dit Buch jut (bis jetzt)?

Im Einband steht unter anderem „Es geht um den Geschmack von Kaffee am Morgen und um das Problem des Bewusstseins“, was ich natürlich schon mal spannend finde [weil Bewusstsein – und Kaffee vielleicht auch – ein extrem spannendes Thema ist]. Ich begab mich also auf die Suche und meine nun erkannt zu haben, wie das Problem des Bewusstseins in dem Buch adressiert wird. Und zwar einerseits: Der Protagonist erzählt mittels eine Quasi-Stream-of-consciousness – er legt seine Gedanken dar, die auch zu relativ banalen Vorgängen in seiner derzeitigen Erzählumgebung auftreten. Er schildert Gedanken, die einfach erscheinen, die in Kombination mit anderen Gedanken auftreten, bewertende, beurteilende Gedanken, die jeder Denkende kennt – die unangenehmen, die vielleicht bösartigen, jedoch auch – der Protagonist ist Philosoph – die reflektierenden, auf einer Meta-Ebene. So entsteht ein Denkbild des Protagonisten, das anknüpfungsfähig ist – man kann dazu in Beziehung treten. Ein Ausschnitt für unangenehme, eigentlich tabuisierte Gedanken treten beispielsweise in Zusammenhang mit einem schreienden Kind auf:

Example

Andererseits denkt der Protagonist über eine Theorie des Bewusstseins, des Erlebens nach, die sich natürlich nicht konsistent entwerfen lässt – der Protagonist scheint sich also in einem Konflikt zwischen Theorie und Wahrnehmung des eigenen Erlebens zu befinden, doch dieser Konflikt wird im weiteren Verlauf sich wohl erst noch entfalten (hoffe ich).

Ebenfalls zeigt der Protagonist einen gewissen, verzweifelten Opportunismus [und auch Gleichgültigkeit, ebenfalls eher verzweifelt als wirklich begründet] angesichts unlösbarer, aber unendlich zu diskutierender philosophischer Probleme – und das finde ich persönlich zumindest sympathisch.

Und ein weiterer Anlass für Interesse: Heinz Helle sagte in einem Interview, dass seine Arbeitsweise sei, zunächst einen Satz zu finden, der Resonanz bei ihm erzeugt („Alles beginnt mit einzelnen Sätzen“) und von dort aus dann weiterzugehen, weiterzudenken und zu schreiben – ein Ansatz, den ich ebenfalls interessant finde, weshalb ich auch auf konzeptioneller Ebene gespannt bin, wohin dieses Buch führen wird [tatsächlich weist jedes Kapitel einen einleitenden Satz auf].

Dies war der letzte Absatz den ich gelesen habe und ich freue mich auf weitere:

Update – Abschlussbeurteilung

Nun bin ich mit dem Burch durch und leider etwas enttäuscht. Abgesehen davon, dass es einige schöne und eine sehr schöne Passage gibt, stellt sich der Roman doch als ein Liebesroman heraus, wie er vielleicht für die Generation Y typisch ist: Ein männlicher Protagonist ist in einer Beziehung und „irgendwie“ liebt er die Partnerin, aber auch nicht und glücklich ist er schon gar nicht. Er hat Interesse an anderen Frauen, er zweifelt an der Liebe und schließlich an weiteren Dingen, bis…es keine großen Überraschungen am Ende gibt. Dass der Protagonist Philosoph ist, führt leider nicht zu tieferen Reflexionen und vielleicht interessanten Gedankengängen (da hatte ich wahrscheinlich eine falsche Erwartung), sondern dazu, dass der Zweifel sich auch auf sein Fachgebiet und dann eben letztlich auf alles Denkbare ausweitet. Schade.

Die Form dagegen ist interessant (wie oben erwähnt, der Beginn bei einem Satz und davon ausgehend los schreiben) und anregend (ich persönlich mag dieses episodenhafte Erzählen, das auch etwas in Zeitebenen springt, statt lange Erzählungen am Stück). Der Stil ist unprätentiös und manchmal leicht monoton, was dennoch (oder gerade deswegen) zu interessanten Beschreibungen von Phänomenen und Sachverhalten führt, bis hin zu starken Passagen (ein Beispiel ist oben zu sehen). Die Form tröstet also über den Inhalt hinweg, von dem zumindest ich (was ja nichts heißen muss) etwas enttäuscht bin.

Dennoch: es empfiehlt sich, dieses Buch zu lesen. Es macht Spaß, führt zu interessanten Überlegungen, man erfährt was von professionell betriebener Philosophie und man kann sich an dem – allgemein etwas zu oft in der jüngeren Literatur dargestellten, aber dennoch leicht sympathischen – Nihilismus des Protagonisten erfreuen.

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